Praxishilfe zum Aufnahmeverfahren an Erweiterten Realschulen und Gesamtschulen im Saarland, § 4 Aufnahmeverordnung, Stand 20.05.2008
I. Verordnungstext:
(1) Bewerberinnen und Bewerber sollen aufgenommen werden, wenn die Nichtaufnahme für sie eine besondere Härte darstellen würde. Eine besondere Härte liegt vor, wenn bereits Geschwister die gewünschte Schule besuchen oder deren Aufnahme aufgrund des Auswahlverfahrens erfolgen wird. Darüber hinaus werden bis zu 5 v. H. der Plätze für sonstige Härtefälle reserviert, insbesondere für Bewerberinnen und Bewerber
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deren schwieriger sozialer Lage an einer anderen Schule nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann, |
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für die bauliche Ausstattungen (Rampen, Aufzüge, usw.), die für behinderte Schülerinnen oder Schüler notwendig sind, an einer anderen Schule nicht vorhanden sind, |
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für die eine andere Schule derselben Schulform nicht in zumutbarer Entfernung erreichbar ist. |
Die Entscheidung über die in Satz 3 genannten Härtefälle erfolgt erst nach Durchführung des in den Absätzen 2 bis 5 a geregelten Verfahrens.
(2) Unbeschadet der Regelung in Absatz 1 werden im Rahmen der Aufnahmefähigkeit alle diejenigen angemeldeten Schülerinnen und Schüler vorrangig aufgenommen, die innerhalb des in Anlage 1 umschriebenen Einzugsbereichs der jeweiligen Erweiterten Realschule oder Gesamtschule ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Schulaufsichtsbehörde kann die Einzugsbereiche im Benehmen mit dem Schulträger nach Anhörung der jeweils betroffenen Schulregionkonferenz und Schulkonferenzen der aufnehmenden Schulen durch Erlass neu festlegen.
(3) An Erweiterten Realschulen werden die verbleibenden Plätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die außerhalb des Einzugsbereichs nach Absatz 2 wohnen.
(4) An Gesamtschulen werden die verbleibenden Plätze an Bewerberinnen und Bewerber, die außerhalb des Einzugsbereichs nach Absatz 2 wohnen, mit der Maßgabe vergeben, dass ein Drittel der insgesamt aufgenommenen Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen zum Besuch des Gymnasiums erfüllt oder erfolgreich an einem Übergangsverfahren gemäß § 6 teilgenommen haben soll.
(5) Können bei der Vergabe nicht alle Bewerberinnen und Bewerber mit gleicher Präferenz aufgenommen werden, so entscheidet jeweils das Los. Die Erziehungsberechtigten können der Auslosung beiwohnen; Ort und Zeitpunkt des Losverfahrens sind ihnen rechtzeitig bekanntzugeben.
(5a) Bietet die aufnehmende Schule in der Klassenstufe 5 unterschiedliche Fremdsprachen an, so wird das Losverfahren auf jene Fremdsprachen beschränkt, für die die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber die Zahl der möglichen Aufnahmen übersteigt. Bilinguale Angebote werden wie eine eigene Fremdsprache behandelt. Übersteigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber in mehr als einer Fremdsprache die Zahl der möglichen Aufnahmen, so wird das Losverfahren für diese Fremdsprachen getrennt durchgeführt. Bei der Zahl der an der jeweiligen Schule für eine Fremdsprache zu bildenden Klassen sind die personellen und organisatorischen Gegebenheiten und danach das Anmeldeverhalten zu berücksichtigen.
(6) Die Erziehungsberechtigten sind unverzüglich über das Ergebnis des Auswahlverfahrens zu unterrichten. Kann die Aufnahme nicht erfolgen, so ist die Entscheidung schriftlich zu begründen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Das Schreiben enthält einen Hinweis auf die in Betracht kommenden schulischen Alternativen.".
II. Erläuterungen:
1. | Aufnahmefähigkeit der Schule, § 3 Aufnahmeverordnung | |||
Die Aufnahmefähigkeit einer Schule wird von der Schulaufsichtsbehörde im Benehmen mit dem Schulträger festgelegt. Hierbei sind neben dem Bildungsauftrag der Schule und den Vorschriften über die Klassen-, Gruppen- und Kursbildung insbesondere die baulich-räumlichen Bedingungen der jeweiligen Schule zu berücksichtigen. | ||||
Übersteigt die Gesamtzahl der Anmeldungen die Aufnahmefähigkeit der Schule, so prüfen Schulleitung und Schulträger, ob und wie diese erweitert werden kann. | ||||
Limitierender Faktor der Aufnahmefähigkeit einer Schule ist in der Regel die Anzahl der vorhandenen Klassenräume. Darüber hinaus ist es aber auch denkbar, dass abhängig von anderen Faktoren (Anzahl der Anmeldungen, Situation an Nachbarschulen der gleichen Prägung...) die Aufnahmefähigkeit in einem Jahrgang nicht der nach der Anzahl der Klassenräume möglichen maximalen Auslastung der Schule entspricht. | ||||
2. | Notwendigkeit zur Durchführung eines Auswahlverfahrens | |||
Die Durchführung eines Auswahlverfahrens ist immer dann notwendig, wenn die Anzahl der Anmeldungen an einer Schule deren Aufnahmefähigkeit übersteigt. Grundsätzlich obliegt sie der Schulleitung. In Fällen, in denen zu besorgen ist, dass das Aufnahmeverfahren an einer Schule das Aufnahmeverfahren an anderen Schulen (etwa durch eine Vielzahl von Mehrfachanmeldungen) in erheblichem Maße beeinflusst, kann die Schulaufsichtsbehörde das Verfahren an sich ziehen. Dem Autor ist ein solcher Fall allerdings nicht bekannt. | ||||
3. | Reihenfolge der Aufnahme | |||
1. | Kinder, die im festgelegten Einzugsbereich der Schule ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 4 Abs. 2 Aufnahmeverordnung); | |||
2. | Geschwisterkinder (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Aufnahmeverordnung); | |||
3. | Kinder, die außerhalb des Einzugsbereiches wohnen (§ 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 4 Aufnahmeverordnung); | |||
(an der Gesamtschule mit der Maßgabe, dass ein Drittel der insgesamt aufgenommenen Kinder die Voraussetzungen zum Besuch des Gymnasiums erfüllt oder erfolgreich am Übergangsverfahren teilgenommen hat) | ||||
4. | Kinder, die als Härtefälle zu qualifizieren sind; da sind insbesondere diejenigen Kinder, | |||
- | deren schwieriger sozialer Lage an einer anderen Schule nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann, | |||
- | für die bauliche Ausstattungen (Rampen, Aufzüge, usw.), die für behinderte Schüler notwendig sind, an einer anderen Schule nicht vorhanden sind, | |||
- | für die eine andere Schule derselben Schulform nicht in zumutbarer Entfernung erreichbar ist. | |||
Für
diese Kinder werden bis zu 5 % der zur Verfügung stehenden Schulplätze
vor der Berücksichtigung der Kinder zu 3. reserviert (§ 4 Abs. 1 Satz 3
Aufnahmeverordnung). Ob diese Anzahl auch tatsächlich freigehalten
werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wie viele Schulplätze von den
vorrangig zu berücksichtigenden Kindern zu 1. und 2. bereits besetzt
sind. Die Kinder, die als Härtefälle zu qualifizieren sind, nehmen an
einem Losverfahren ebenfalls teil. Nach
Abschluss des Losverfahrens wird dann entschieden, welche der noch
verbliebenen Härtefall-Kinder die reservierten Schulplätze erhalten.
Dabei besteht die Möglichkeit, dass zwischen verschiedenen
Härtefall-Kindern ausgewählt werden muss, wenn die reservierten Plätze
nicht ausreichen sollten. Diese Auswahl kann beispielsweise durch ein
weiteres Losverfahren erfolgen, sofern eine eindeutige Rangfolge anhand
anderer sachlicher Erwägungen nicht möglich ist. Ebenso ist möglich,
dass nicht alle für Härtefälle freigehaltene Plätze mit
Härtefall-Kindern besetzt werden können, da diese bereits im
Losverfahren Plätze erhalten haben. In diesem Fall werden die noch
verbliebenen Plätze an Kinder vergeben, die im Losverfahren auf eine
Nachrückerliste gelost worden sind. |
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Es obliegt den Erziehungsberechtigten, bei der Anmeldung alle Gründe für die bevorzugte Aufnahme in der Schule darzulegen und glaubhaft zu machen, insbesondere haben sie die Umstände glaubhaft zu machen, aus denen sich eine besondere Härte ergeben könnte (vgl. § 2 Abs. 5 Aufnahmeverordnung). Ein allgemein gehaltener Hinweis auf das Vorliegen eines Härtefalls genügt hierbei nicht. Der Schule müssen in diesem Zusammenhang alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit diese abschließend über das Vorliegen eines Härtefalles entscheiden kann. Haben die Erziehungsberechtigten dies bei der Anmeldung versäumt, kommt eine vorrangige Aufnahme des Kindes nicht mehr in Betracht. | ||||
4. | Losverfahren | |||
Ein Losverfahren ist immer dann durchzuführen, wenn nach der Berücksichtigung der Kinder, die im Einzugsbereich der Schule wohnen, der Geschwisterkinder und nach Reservierung von 5 % der Schulplätze für sonstige Härtefälle noch freie Kapazitäten vorhanden sind. | ||||
Ein Losverfahren ist ebenfalls durchzuführen, wenn bereits die Anzahl der Kinder, die im Einzugsbereich der Schule wohnen, die Aufnahmekapazität der Schule übersteigt. In diesem Fall wären Geschwisterkinder, die im Einzugsbereich der Schule wohnen, bevorzugt zu berücksichtigen, also zu setzen. In diesem Fall könnten für sonstige Härtefälle überhaupt keine Plätze freigehalten werden. Eine Aufnahme von Kindern, die nicht im Einzugsbereich der Schule wohnen, würde überhaupt nicht erfolgen. | ||||
Abhängig von der Konstellation wäre es auch möglich, dass nur unter den Geschwisterkindern oder auch nur unter den sonstigen Härtefällen ausgelost werden müsste. | ||||
Sofern erfahrungsgemäß damit zu rechnen ist, dass es zu einem Losverfahren kommen wird, also wenn bereits in vergangenen Jahren gelost werden musste, muss die Schulleitung die Erziehungsberechtigten bereits bei der Anmeldung über deren Vorläufigkeit informieren und auf die Möglichkeit eines Auswahlverfahrens und die etwaige Notwendigkeit, dass das Kind unter Umständen eine andere Schule besuchen muss, hinweisen. Die für das Aufnahmeverfahren geltenden Regelungen (§§ 2 - 4 der Aufnahmeverordnung) sind zur Einsichtnahme auszulegen (§ 2 Abs. 4 Aufnahmeverordnung). Hält sich die Schulleitung nicht an diese Regelung, so stellt dies zwar einen formalen Mangel dar, dieser ist jedoch rechtlich nicht beachtlich, d. h. er führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Aufnahmeverfahrens. | ||||
Das Losverfahren kann sowohl positiv ('Zulosen') als auch negativ ('Herauslosen')durchgeführt werden. Weitergehende Verfahrensvorschriften enthält die Aufnahmeverordnung nicht. Sollen beispielsweise zwei Schulplätze an 20 Bewerbern vergeben werden, empfiehlt sich positives Zulosen der beiden Plätze. Wären aber 18 Plätze an 20 Bewerbern zu vergeben, wäre ein negatives Herauslosen ökonomischer. | ||||
Wenn eine Schule mehrere Fremdsprachen als Eingangssprachen anbietet, wird ein Losverfahren getrennt für jede Fremdsprache durchgeführt (§ 4 Abs. 5a Satz 1 und 3 Aufnahmeverordnung). Wie viele Eingangsklassen in den jeweiligen Fremdsprachen gebildet werden richtet sich nach den personellen und organisatorischen Gegebenheiten an der Schule sowie nach dem Anmeldeverhalten (§ 4 Abs. 5a Satz 4 Aufnahmeverordnung). | ||||
Die Erziehungsberechtigten sind berechtigt, einer Auslosung beizuwohnen. Ort und Zeitpunkt der Auslosung sind ihnen deshalb rechtzeitig bekanntzugeben (§ 4 Abs. 5 Satz 2 Aufnahmeverordnung). Diese Bekanntgabe kann sowohl persönlich (telefonisch oder schriftlich) oder über eine öffentliche Bekanntmachung etwa in einer regionalen Zeitung erfolgen. Unterbleibt eine entsprechende Information an die Eltern und wohnen dieser der Auslosung deshalb nicht bei, stellt dies ebenfalls keinen beachtlichen Mangel dar, da das Losverfahren an sich hierdurch nicht beeinflusst wird. | ||||
5. | Aufnahme nicht-saarländischer Schüler | |||
Schüler, die nicht im Saarland schulpflichtig sind, besitzen keinen Rechtsanspruch auf Beschulung im Saarland. Aus diesem Grunde müssen sie bei der Aufnahme an der Schule gegenüber saarländischen Schülern grundsätzlich zurückstehen. Dies gilt auch für diejenigen Schüler, die Geschwisterkinder sind. | ||||
Diese Problematik kann sich insbesondere in den grenznahen Regionen des Saarlandes zu Rheinland-Pfalz stellen. Dort ist es nicht ungewöhnlich, dass Schüler die Ländergrenzen überschreiten und im benachbarten Bundesland die Schule besuchen. Die jeweiligen Schulen nehmen die Schüler dann im Rahmen ihrer Aufnahmefähigkeit zusätzlich auf. | ||||
6. | Information der Eltern nach Abschluss des Auswahlverfahrens | |||
Die Eltern sind unverzüglich nach Abschluss des Auswahlverfahrens über dessen Ergebnis zu unterrichten (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Aufnahmeverordnung). Kann ein Kind nicht aufgenommen werden, so ist die Entscheidung schriftlich zu begründen und und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 Aufnahmeverordnung). In das Schreiben ist ebenfalls ein Hinweis auf die in Betracht kommenden schulischen Alternativen aufzunehmen (§ 4 Abs. 6 Satz 3 Aufnahmeverordnung). | ||||
Die Aufnahme an der Schule oder die Absage stellen Verwaltungsakte i. S. § 35 Saarl. Verwaltungsverfahrensgesetz dar. Aus diesem Grund enthält § 4 Abs. 6 Satz 2 Aufnahmeverordnung einen expliziten Hinweis auf eine im Falle einer Absage zu gebende schriftliche Begründung (vgl. § 39 Saarl. Verwaltungsverfahrensgesetz) sowie auf die Notwendigkeit zur Verwendung einer Rechtsbehelfsbelehrung. Notwendig wäre dieser Hinweis allerdings nicht, denn die Vorschriften des Saarl. Verwaltungsverfahrensgesetzes finden hier ohnehin unmittelbar Anwendung und wären folglich auch zu beachten. | ||||
Eine Rechtsbehelfsbelehrung könnte so lauten: | ||||
"Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der X-Schule, Y-Straße Z, 66... Q-Dorf, schriftlich oder zur Niederschrift erhoben werden." | ||||
Eine fehlende Rechtsbehelfsbelehrung führt indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Schule. Sie verlängert allerdings die Rechtsbehelfspflicht, die einen Monat beträgt, auf ein Jahr. |
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